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Eine Reise ins Verlangen – Teil 2

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Das Wort ist nie die Sache. Das heißt, dass das Wort Verlangen nie das Verlangen an sich ist, sondern lediglich versucht, eine Wahrnehmung, eine Sensation zu beschreiben. Und auch wenn es im weiteren Verlauf eben um diese Sensation gehen soll und es gilt, diese zu verstehen und zu durchschauen, kann es doch hilfreich sein, das Wort zu betrachten, bevor wir dann von der Oberfläche in das darunter liegende gelangen. 

Im Alltag benutzen wir eher spezielle Formen des Verlangens wie “(keine) Lust” oder umgangssprachlich “(keinen) Bock auf etwas”, Sehnsucht oder (negativ behaftet) Gier. Das Wort Verlangen selbst kommt eher selten vor, ist aber meinem Verständnis nach ein Oberbegriff für die spezielleren Formen, weshalb es wichtig ist zu verstehen, dass nicht nur “Verlangen” sondern auch alle Formen mitgemeint sind. Wenn wir also sagen “Ich habe Lust auf…”, dann ist das ein Ausdruck unseres Verlangens. 

Dabei ist der Wortteil “-langen” natürlich besonders spannend. “Langen” kann bedeuten, dass man nach etwas greift, etwas erreichen will, eine räumliche (“lange”) Distanz überbrückt, wie das englische “longing”, das im Grunde die gleiche Bedeutung hat, wie das deutsche “Verlangen”. In dieser Bedeutung wäre Verlangen dann ein Ausdruck dafür, dass man metaphorisch nach etwas greift, etwas haben oder erreichen will. “Langen” hat aber auch die Bedeutung, dass etwas genügt (“das langt!”), also ausreicht, genug ist. “Ver”-langen könnte dann bedeuten, dass etwas eben nicht genügt (vgl. “verlaufen” im Verhältnis zu “laufen”). In beiden Fällen geht es bei Verlangen um etwas, das zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorhanden ist. Dabei kann fast alles ein Objekt des Verlangens sein; ob ein Schokoriegel, ein tolles Auto, Sex, Drogen, Musik, ein Haus und vieles mehr. Aber auch immaterielle Dinge können das Objekt der Begierde sein. Das Erreichen des “Himmels” nach dem Tod, die “Erleuchtung” von der so häufig die Rede ist oder “Nirvana” sind nur Beispiele für solche immateriellen Ziele des Verlangens. 

Wichtig ist aber, dass wir das Verlangen klar abtrennen von Bedürfnissen. Letztere sind notwendig, um ein gesundes Leben zu führen. Dazu zählen unter anderem gesunde Nahrungsmittel, sauberes Wasser, ein Dach über dem Kopf und in der modernen Welt auch genügend finanzielle Mittel, um sich diese Bedürfnisse leisten zu können. Fehlen diese Bedürfnisse, fehlen dem Körper und Gehirn die notwendigen Bausteine und eine gewisse Sicherheit, die es aber braucht, um vernünftig funktionieren zu können. Deshalb ist es wichtig, dass wir nur diese Formen des Verlangens betrachten, die über die Grundbedürfnisse hinausgehen.

Da es nun aber so viele verschiedene Formen des Verlangens gibt, macht es wenig Sinn, sich mit einzelnen dieser Formen zu beschäftigen, um eventuelle Lösungen für diese zu finden, denn das wäre eine unendlich lange Aufgabe. Vielmehr geht es darum, das Prinzip dahinter zu beleuchten und zu verstehen, wieso Verlangen problematisch sein kann und wie wir mit dem Verlangen umgehen können. 

Lassen wir jetzt also mal das Wort und die äußeren Aspekte des Verlangens hinter uns, können wir uns die Frage stellen, wie wir uns dem, was das Wort Verlangen beschreibt, überhaupt nähern können. 

Wie kommt dieses Verlangen überhaupt auf? Was ist sein richtiger Platz im Leben? Und welche Herangehensweise ist vielleicht nicht besonders sinnvoll?

Verlangen spielt eine besondere Rolle in den großen Religionen der Welt. Seine Form der Wollust (im lateinischen “luxuria”, wovon sich auch der “Luxus” ableitet!) gilt sogar als eine der sieben Todsünden im alten Testament, was immerhin die Grundlage des Judentum, Christentum und des Islam bildet. Der Buddhismus erkennt das Verlangen als eine Ursache für das menschliche Leiden und beschäftigt sich eingehend mit diesem Problem. Es scheint also eine uralte, dem Menschen angeborene Kraft zu sein, die zudem eine recht negative Konnotation zu haben scheint, wenn sich die Religionen seit jeher mit ihr beschäftigen.

Damit wir uns dem Verlangen aber überhaupt sinnvoll nähern können, müssen wir die bekannten Herangehensweisen zunächst einmal beiseite lassen müssen, da wir sonst mit einem konditionierten Verstand arbeiten und unsere Erkenntnis daher immer nur dieser Konditionierung entsprechen kann. Wenn wir also sagen, dass Verlangen etwas Gutes und Erstrebenswertes ist, dann werden wir uns ihm nie wirklich annähern können. Gleiches gilt, wenn wir es als etwas Schlechtes und Verachtenswertes ansehen. 

Es muss als das angesehen werden, was es ist: eine Kraft, die Teil unseres menschlichen Bewusstseins ist. Wie diese Kraft sich in unserem Alltag im Geist manifestiert, welche Auswirkungen das hat und in welchem Verhältnis das Verlangen zur Angst steht, damit beschäftigen wir uns im nächsten Beitrag.

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