Im Gegensatz zu den vorherigen Blog-Artikeln habe ich an diesem hier bis zum Tag der Veröffentlichung nicht geschrieben. Und im Gegensatz zu den vorherigen Artikeln wird dieser eher persönlich als interpersonell sein, wobei die zu Grunde liegenden Themen wohl alle Menschen zu einem gewissen Grad betreffen.
Tatsächlich habe ich nämlich die ganze Woche nicht geschrieben. Dabei hatte ich viel Zeit, die ich dafür hätte nutzen können. Aber da gibt es eben diese Muster, in die ich immer wieder zurückfalle – häufig gerade dann, wenn eine Veränderung im Gange ist. Die Veränderung, die ich meine, ist eine Lifestyle-Veränderung, die sich schon seit Anfang des Jahres durchzieht. Mehr Sport, weniger ungesunde Ernährung, lernen, Texte zu schreiben und die damit verbundene Auseinandersetzung mit meinen Gedanken. Etwa acht Wochen konnte ich die Disziplin aufrechterhalten, bis sich die ersten Anzeichen der Muster bemerkbar machten.
Ich habe einen Song eines Rappers gehört, mit dem ich früher auch schon zusammengearbeitet habe, was Gedanken an frühere Zeiten, die ein gewisses Lebensgefühl transportieren und das daraus erwachsende Verlangen danach, dieses Gefühl wieder zu haben, ausgelöst hat. Wobei es retrospektiv betrachtet wahrscheinlich gar nicht das Lebensgefühl ist, das ich wieder suche, sondern das Gefühl einer scheinbaren Sicherheit, die damit verbunden ist. Allerdings habe ich das in der Situation nicht gesehen. In dem Moment war es eher das Verlangen nach neuen alten Erfahrungen – genau genommen Cannabis-Konsum.
Ich hatte immer wieder mal Phasen mit mehr oder weniger regelmäßigem und intensivem Konsum und habe diesen seit 2021 im Griff, wobei es schwieriger ist, solange ich Gras zuhause habe. “Make it invisible”, wozu James Clear im Umgang mit schlechten Angewohnheiten rät, hilft da leider nicht. Und der Konsum an sich war auch nur der Auslöser dafür, dass die Routine, die ich mir die Wochen zuvor angewöhnt hatte, nicht mehr standhielt. Ich ging zu oft zu spät ins Bett, stand dadurch später auf und somit war sowohl die Abend- als auch die Morgenroutine hin. Tagsüber konsumiere ich eigentlich nie, also ist das auch nicht das Problem. Die Retourkutsche kam aber relativ schnell in Form einer Erkältung, die das Wiederaufleben Lassen der Routine noch weiter verzögerte.
Und als ich die Routine dann so langsam wieder aufnehmen konnte, kam das nächste Muster zur Tür herein: Videospiele. Obwohl ich auch diesem Verlangen meistens sehr gut widerstehen kann, sind Videospiele ein immer wiederkehrendes Muster, das sich durch mein Leben zieht. Die Einschränkung, die in den Spielen implementiert ist, das klare Regelwerk, die vorgegebenen Aufgaben und die ständige Abwechslung von Belohnung und Bestrafung, der ganze Hormoncocktail den ein Spiel auslösen kann, machen diese virtuellen Welten so reizvoll. Und meine Beobachtung ist, dass insbesondere Zeiten innerer und äußerer Unruhe den Drang zu spielen verstärken. Und so habe ich in den letzten Wochen Stunden um Stunden in ein Spiel versenkt, anstatt mich darum zu kümmern, Themen für den Blog vorzubereiten. Dabei weiß ich natürlich, dass mich das nicht weiterbringen wird, dass ich damit keine wirklichen Ziele erreichen werde. Trotzdem kann ich es dann manchmal nur schlecht hinter mir lassen.
Ich finde es total spannend zu beobachten, wie das Verlangen nach einer Handlung durch Musik ausgelöst werden kann, was vermutlich einer der Gründe ist, wieso Musik in Teilen des Islams als “haram” angesehen wird. Und wie dieses Verlangen, gibt man ihm dann nach, eine Kaskade von Verhaltensweisen auslöst, die alle aus der Vergangenheit stammen (wie der Gedanke an sich ja auch) und einem der Gegenwart berauben. Keine der genannten Aktivitäten halte ich für schlecht per se, aber das zugrunde liegende Verlangen ist teuflisch. Und das gilt für das Verlangen generell, nicht nur nach “schlechten” Verhaltensweisen. Am Ende ist es eine Frage des Fokus, der Achtsamkeit, der Fähigkeit, sich Pausen zu gönnen, ohne sie ausarten zu lassen oder als Rückschritt zu bewerten und – ganz wichtig – eine Frage der Fähigkeit, sich selbst nicht zu verurteilen, was auch einschließt, andere für ihr Nachgeben nach Verlangen nicht zu verurteilen. Denn Verlangen ist nicht meins, ist nicht persönlich. Verlangen ist Teil des menschlichen Bewusstseins. Das Unterdrücken von Verlangen ist genauso zwecklos wie das blinde Nachgeben. Eine Erkenntnis in die Bewegung des Verlangens hingegen könnte eine echte Transformation mit sich bringen. Das wäre doch mal ein Thema für die nächste Woche 😉
Thank you for your vulnerability in this post! I think we can all relate to this topic, since like you wrote, it’s universal. I agree that it’s not helpful to harshly judge ourselves when we fall off the wagon.
Thank you for your understanding
Vielen Dank für diese ehrliche Einsicht! Mir hilft es ungemein, längere Zeit mit einem Mantra zu arbeiten, wodurch sich Verlangen transformieren und auflösen kann. Es fällt dann plötzlich viel leichter und man fällt weniger stark zurück. 🙏🏻