Skip to content

Eine Reise ins Verlangen – Teil 3

Reading Time: 3 minutes

Wir haben letzte Woche festgestellt, dass Verlangen durch das “Langen” im Wort eine Art räumliche Komponente besitzt. Und Raum gibt es nur, wenn es auch Zeit gibt. Also hat Verlangen schon in seinem Wort eine zeitliche Komponente versteckt. Aber wie entsteht Verlangen nun im Geist?

Der Vorgang ist total spannend und hat mehrere Komponenten: Eine Sensation (im Wortsinne), ein Kontakt, eine Vorstellung. 

Das heißt, wir haben eine Sinneswahrnehmung, durch welche ein Kontakt zwischen dem Objekt des Verlangens und unserem Gehirn entsteht und dann erzeugt das Denken eine Vorstellung von dem “Ich” mit dem Objekt. Dieser Vorgang ist immer gleich und ich würde ihn als generellen Vorgang des Verlangens bezeichnen, von dem wir nun der Einfachheit halber aber abstrahieren und einzelne Beispiele nennen können. 

Ich hatte im ersten Teil beschrieben, dass mein Verlangen durch Musik getriggert wurde. Es gab also eine Sensation (das Hören des Musikstücks und seines lyrischen Inhalts; im konkreten Fall Songs über Cannabis Konsum) – wodurch ein Kontakt hergestellt wurde zwischen der Musik und mir – und daraufhin hat mein Denken eine Vorstellung davon erzeugt, wie ich das Besungene selbst erlebe, sprich auch Cannabis konsumiere. Sensation – Kontakt – Identifizierung. 

Nehmen wir an, wir schlendern durch die Stadt und sehen ein schönes T-Shirt. Wir sehen das Shirt (Sensation + Kontakt) und das Denken erzeugt eine Vorstellung davon, wie wir darin aussehen würden oder wie gerne wir es tragen würden (Identifizierung). Das ist der Moment, in dem das Verlangen zustande kommt. 

Wir sehen ein schnelles Auto und stellen uns vor, welcher Status mit dem Fahren des Autos einhergehen würde oder wie es sich anfühlen würde, in dem Auto zu fahren. 

Die Sinneswahrnehmung, das Sehen, Hören oder Riechen (z.B. bei Essen) sind natürlich, normal und ohne Wertung zu betrachten. Sie selbst kreieren kein Verlangen. Zwar gibt es religiöse oder spirituelle Denkweisen, die schon die Sinneswahrnehmung an sich verhindern wollen. Beispielsweise gibt es Mönche, die bei einer Pilgerschaft nur auf den Boden schauen, um bloß nichts von der schönen Natur um sich herum zu sehen, was ein Verlangen erzeugen könnte. Generell sind Kloster, in denen Mönche zu Hause sind, häufig ein Ort der Abschottung. Bloß keine Menschen des anderen Geschlechts sehen, sich keinen Objekten des Verlangens aussetzen. Aber ist das wirklich ein sinnvoller Umgang mit dem Verlangen? Wenn ich mich lediglich den Objekten entziehe und das Verlangen dann nicht aufkommt, dann habe ich das Verlangen an sich ja nicht verstanden, nicht überwunden und bin im Grunde genommen so schlau wie vorher. Außerdem ist Verlangen eine tricky Angelegenheit. Das Verlangen danach, in den Himmel zu kommen, Nirvana oder Mukti zu erreichen, ist ja schließlich auch ein Verlangen. Ironischerweise gibt es dazu die Meinung, dass dieses Verlangen ja das höchste Verlangen sei, nachdem es kein weiteres Verlangen mehr gäbe, weshalb es das einzig sinnvolle Verlangen sei. 

Jedenfalls sind die Sinneswahrnehmung und der Kontakt normal und ich halte es für wenig sinnvoll, sich so einzuengen, dass ich keinen Objekten des Verlangens ausgesetzt bin. 

Die Vorstellung von dem wahrgenommenen Objekt, die das Denken daraufhin erzeugt, mag zwar auch “normal” sein, weil wir es nie hinterfragt haben, aber es birgt eben die Gefahr der Identifikation mit dem Objekt, was wiederum die Probleme des Verlangens mit sich bringt. Diese Probleme liegen in der Natur des Verlangens, im Feld der Zeit zu liegen. Das Verlangen zielt immer auf ein zukünftiges Erfüllen eines gegenwärtig vermeintlich mangelhaften Zustands ab. Das heißt, dass das Denken – seiner Natur nach im Feld der Zeit arbeitend, fragmentiert und daher nie heil, ganz oder vollkommen – die eigentlich gegebene und vorhandene Vollkommenheit der gegenwärtigen Existenz nicht erkennt und einen vermeintlich “besseren”, “vollkommeneren” Zustand anstrebt, der aber lediglich im Denken existiert, daher kein Fakt und deshalb illusorisch ist. 

Ein weiterer Teil des menschlichen Bewusstseins, der ebenfalls im Feld der Zeit stattfindet und mit dem Prinzip des Verlangens direkt verwandt ist, ist die Angst. Es ist also sinnvoll, sich dem Thema der Angst und ihrem Verhältnis zum Verlangen zu widmen. Der Komplexität des Themas und vor allem des Verhältnisses von Angst zu Verlangen wegen, werde ich diesen Exkurs aber auf die kommende Woche verschieben. Danach können wir uns dann damit beschäftigen, wie wir den oben angesprochenen Vorgang von Sensation – Kontakt – Identifikation unterbrechen können und so dem Verlangen ein Ende bereiten können, noch bevor es überhaupt aufkommt.

Never miss a post!

Receive the latest post as an e-mail once a week.

I do not send out spam! Read more in my privacy statement[link]Datenschutzerklärung[/link].

Never miss out on a post!

I do not send out spam! See the privacy notice for further details.[link]Datenschutzerklärung[/link]

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *