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Eine Reise ins Verlangen – Teil 4

Reading Time: 3 minutes

Im letzten Beitrag hatte ich bereits angerissen, dass Verlangen in einem Verhältnis zu Angst steht. Das möchte ich gerne ein wenig ausführen und dann auch zu einem möglichen Umgang mit dem Verlangen kommen, der uns ermöglicht, aus dem Feld der Zeit und damit aus dem Dilemma des Verlangens zu kommen. 

Um das Verlangen und die Angst (und auch weitere mentale Phänomene) richtig einordnen zu können, müssen wir das schon oft angesprochene “Feld der Zeit” verstehen. 

Das Denken kann nur zum Gegenstand des Denkens machen, was es bereits kennt. Das heißt, dass das Wissen, was wir erlangt haben, durch das Denken wieder in den gegenwärtigen Moment gebracht wird. Dabei ist Wissen nicht nur reines Sachwissen, sondern auch alle Sinneseindrücke, Erfahrungen und insgesamt alles, was im Gehirn bzw. im Geist abgespeichert ist. Das bedeutet, dass das Denken immer nur die Vergangenheit zum Gegenstand hat, selbst wenn wir uns etwas vorstellen, das in der Zukunft passieren könnte. Das heißt, dass der gegenwärtige Moment nur dann existiert, wenn das Denken ihn nicht ergreift oder versucht zu analysieren. Nehmen wir zum Beispiel einmal an, wir stehen auf einem Berg und schauen uns die Umgebung an, dann ist diese Wahrnehmung im gegenwärtigen Moment. Wenn wir jetzt aber einen Baum sehen und im Geist das Wort “Baum” als Gedanke aufkommt (z.B. “Das ist aber ein schöner Baum”), dann ist dieses Eingreifen des Gedankens der Moment, in dem der gegenwärtige Moment vom Denken unterbrochen wird. Das heißt, das ist der Moment, in dem wir ins Feld der Zeit fallen, denn die Gegenwart existiert immer nur als eine konstante Abfolge gegenwärtiger Momente und ist damit weder Teil der Zukunft oder Vergangenheit. 

Angst ist ein Phänomen, das sich auf bevorstehende, also zukünftige Ereignisse bezieht. Befinden wir uns in tatsächlicher Gefahr, dann ist das allerdings keine Angst, da es sich ja auf den gegenwärtigen Moment bezieht, nicht auf einen zukünftigen. Das heißt, dass Angst erst im Bereich des Denkens und damit im Feld der Zeit möglich wird. 

Das Verlangen ist, wie wir im letzten Beitrag erarbeitet haben, ebenfalls ein Prozess des Denkens (in diesem Fall in Form der Identifikation mit der Sinneswahrnehmung), findet also ebenfalls im Feld der Zeit statt. Wenn wir uns also dem Verlangen annehmen und davon ausgehen, dass wir einem Verlangen nicht nachgeben dürfen und demnach nie wieder dem erwünschten Vergnügen (was das Objekt des Verlangens ist) frönen dürfen, dann kommt eine gewisse Form der Angst auf, dass wir etwas, das unserer Identität entspricht, nicht mehr machen dürfen. Diese Annahme, dass wir das Verlangen in dieser Form ablegen, ist also nicht der richtige Ansatz, da wir das Verlangen bloß in Angst umwandeln und es nicht schaffen, das Feld der Zeit insgesamt zu verlassen. Uns ist also nicht geholfen, wenn wir versuchen, das Verlangen abzulegen oder zu verbieten. 

Also wie sollen wir dann damit umgehen? 

Die Frage nach dem “Wie” birgt natürlich die Gefahr, dass wir eine Lösung erwarten, die wir dann als Technik und damit als eine Art Konzept nutzen können, was wiederum ein Teil des Wissens, damit Teil des Denkens und damit wiederum Teil des Feldes der Zeit wird. Also wie schaffen wir es, dieses Feld gar nicht erst zu betreten?

Der Grund für das Einreihen des Denkens und damit der Identifikation in den Vorgang Sinneswahrnehmung, Kontakt, Identifikation ist Unachtsamkeit im Zeitpunkt der Sinneswahrnehmung. Wir sind schlichtweg nicht bei der Sache, sondern sehen oder hören etwas (oder denken einfach nur an etwas) und unachtsam wie wir sind, schaltet sich das Denken ein und beraubt uns des gegenwärtigen Moments. 

Diese Unachtsamkeit lässt sich allerdings vermeiden, so dass wir wirklich eins sein können mit der Sinneswahrnehmung. Sicherlich wird es häufig genug noch so sein, dass der Vorgang abgespult wird, aber selbst dann hilft uns ein Beobachten dieses Vorgangs dabei, das Verlangen zu verstehen, zu erkennen, wie es funktioniert und vor allem zu erkennen, dass es lediglich auf einem Prozess des Denkens beruht. Und Gedanken kommen und gehen, sie sind äußerst fragil und nie sehr langwierig. Wenn das Verlangen eine körperliche Reaktion (meist im Bereich des solar plexus) auslöst, können wir auch diese Sensation wahrnehmen und bei ihr bleiben. Wir müssen dem Impuls, dem Denken nicht nachgeben. Dem Verlangen nachzugeben ist außerdem mit einem hohen Maß an energetischem Aufwand verbunden. So kann es zum Beispiel sein, dass wir unseren ganzen Körper in Bewegung setzen und sogar mit dem Auto zum nächsten Geschäft fahren, bloß um dort einen Snack zu kaufen, auf den wir gerade “Bock” haben. Diese Energie wird einfach nur verschwendet. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass man das nicht machen “darf” – das muss letztlich jeder selbst entscheiden -, aber wer mit seiner Energie besser haushalten will, der kann sich seinem Verlangen widmen. 

Das Verstehen des Verlangens, nicht nur intellektuell, sondern vollständig, bringt eine Ordnung, die unserem Verlangen den richtigen Platz im Leben gibt. Denn den hat es. Zu versuchen, das Verlangen zu verbieten oder zu kontrollieren, ist vergebene Mühe, verschwendete Zeit. All diese Herangehensweisen verlieren ihren Reiz, wenn das Verlangen verstanden ist. Und um ein intellektuelles Verstehen in ein ganzheitliches zu transformieren, müssen wir es eine lebendige Realität werden lassen, es in uns beobachten und so mit dem ganzen Geist erkennen, nicht nur mit dem Intellekt. Sonst ist es bloß eine schöne Theorie. 

Und das gilt insbesondere für den Autor des Texts 😉

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